Im Gespräch mit Urs Weber, Generalsekretär der HKSÖL
Als Generalsekretär der Handelskammer Schweiz-Österreich-Liechtenstein und Marktmanager Österreich für Schweiz Tourismus verantwortet Urs Weber ein internationales Business-Netzwerk. In unserem Gespräch gibt er spannende Einblicke in Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Organisations und Führungskulturen der von ihm betreuten Länder:
Judith Girschik – Leadership Institute: Sie verantworten ein länderübergreifendes Netzwerk, das die Schweiz, Österreich und Liechtenstein verbindet. Unternehmen unterstützen Sie dabei, miteinander in Austausch zu treten. Welche Besonderheiten gilt es dabei zu beachten?
Urs Weber: So sehr die Meinung vorherrscht, dass wir auf Grund der gleichen Sprache auch in geschäftlichen ähnlich „ticken“: es gibt sehr deutliche Unterschiede, die Geschäfte erleichtern – oder aber eben auch erschweren können. Werden die Unterschiede respektiert, können Vorgänge beschleunigt oder verlangsamt, im schlimmsten Fall sogar blockiert werden.
Leadership Institute: Welchen Personenkreis unterstützt Ihre Organisation in erster Linie? Handelt es sich dabei ausschließlich um Führungskräfte?
Urs Weber: Zumeist. Wobei wir gerade auch bei Mitarbeitern der Unternehmen, von den Teams, sehr wertvolle Informationen über aktuelle Schwerpunkte, über die Unternehmenskultur erhalten. Nicht nur, aber oft ist dies auch z.B. die / der persönliche AssistentIn des CEO’s – die ja oft viel länger und stabiler diese Position innehat als z.B. der CEO eines multinationalen Konzerns.
Leadership Institute: Sehen Sie Unterschiede in den Unternehmenskulturen innerhalb der von Ihnen betreuten Länder?
Urs Weber: Ja, auf jeden Fall: insbesondere in Liechtenstein, aber auch in der Schweiz sind die hierarchischen Ebenen weniger streng bzw. ist es dort weniger schwierig, um direkt die richtige Ansprechperson zu kontaktieren.
Auf der anderen dauert es üblicherweise länger, einen Schweizer Partner oder Kunden zu gewinnen – allerdings behält man ihn dann in aller Regel länger. Österreicher dagegen finden sich rascher auf einer jovialen Ebene – die dann allerdings auch unverbindlicher ist als bei Kontakten aus Liechtenstein und der Schweiz.
Was im Westen (auch schon in Vorarlberg) eine noch größere Bedeutung hat, ist die „härteste Währung der Welt“: Vertrauen. Vertrauen lässt sich auch mit viel Geld nicht kaufen – und schlägt günstigere Preise, bessere Konditionen auf jeden Fall.
Leadership Institute: Inwiefern unterscheiden sich Ihrer Erfahrung nach die Führungsstile schweizerischer und österreichischer Unternehmer, Manager und Führungskräfte?
Urs Weber: Nach meiner Erfahrung hat die hierarchische Position in Österreich eine höhere Bedeutung als in der Schweiz und Liechtenstein – wiederum mit einer Steigerung, je weiter man in die östlichen Landesteile kommt.
Was wir Schweizer zudem einfach bereits aus dem politischen System in der Schweiz und Liechtenstein eher als in Österreich kennen, ist „Eigenverantwortung“ – auch bei staatlichen Einrichtungen, Ämtern: fundierte – auch eher ungewöhnliche – Vorschläge werden leichter angenommen, es gibt aus meiner Sicht mehr Bereitschaft, etwas auszuprobieren bzw. zu riskieren. Ich profitiere selbst davon: der Vorschlag, in Personalunion Schweiz Tourismus in Österreich und die Handelskammer Schweiz – Österreich – Liechtenstein zu leiten, war ein Vorschlag „aus dem Markt“ von mir persönlich: ein PPP, das Synergien für alle Beteiligten bringt. Dies hätte auch schiefgehen können.
Allerdings gibt es natürlich auch in den beiden westlichen Nachbarländern Österreichs Firmen und Familienunternehmen, die durch eine autoritäre „Patron“-Figur gemanagt werden – mit allen Vor- und Nachteilen.
Leadership Institute: Zeichnen sich da manchmal auch Konflikte ab?
Urs Weber: Ich kenne eigentlich kaum Fälle, in dem ein Schweizer Unternehmer über den österreichischen Führungsstil, ein Österreicher die liechtensteinische Vorgehensweise oder auch umgekehrt herkunftsbedingte Herausforderungen findet: die grundsätzliche gegenseitige Wertschätzung und Anerkennung der Kulturen gilt beidseits des Arlbergs. Häufiger ist bestimmt das Wissen, dass einerseits das vergleichbare kulturelle Fundament, gleichzeitig aber auch die dennoch vorhandene Vielfalt für das Unternehmen von Vorteil ist. Ein Augenzwinkern der Schweizer gibt es höchstens einmal in Bezug auf die österreichische Titel-Verliebtheit.
Leadership Institute: Welche Führungsqualitäten und Persönlichkeitsmerkmale helfen Ihnen, die vermittelnde Rolle zwischen Unternehmen und Organisationen zu erfüllen?
Urs Weber: Ich versuche, die mir bekannten Eigen- und Besonderheiten der drei Nationen zu berücksichtigen – und natürlich die jeweiligen Stärken dieser „Modelle“ herauszustreichen. Was ich bzw. wir allerdings nicht machen, ist die in Österreich übliche Nennung von Titeln – insbesondere solchen, die alters- und ehrenhalber erworben wurden, wie beispielsweise Kommerzialrat, Ministerialrat.
Grundsätze, die in unserem Kulturraum – heißt: in allen drei Ländern – wichtig sind, werden sowieso gelebt. Zuverlässigkeit, Höflichkeit (vielleicht mit etwas weniger Steifigkeit), natürlich auch Humor: die Kombination hilft eigentlich immer, Grenzen und Vorbehalte abzubauen.
Leadership Institute: Was hat Sie motiviert, diese Aufgabe anzunehmen?
Urs Weber: Die Stärken der drei Länder – und die Überzeugung, dass sich der Summe dieser mehr erreichen lässt als wenn sie jeweils nur alleine ausgespielt werden: die Erfahrung Österreichs im zentral- und osteuropäischen Wirtschaftsraum, die teilweise vielleicht konservativere Herangehensweise der Schweizer und Liechtensteiner.
Was mich zudem „triggert“ ist ein Faktum, das aus meiner Sicht in Österreich, teilweise auch in Liechtenstein noch zu wenig genutzt wird: das „Nationbranding“. Wenn man „Schweiz“ hört, denkt man unweigerlich an Uhren, Schokolade, Finanzdienstleistungen, Käse, Taschenmesser. In Verbindung mit den bekanntesten Bildern der Schweiz – Matterhorn, Kapellbrücke in Luzern, Altstadt von Bern – stärken wir das gesamte Image, ohne, dass es zusätzlich viel kostet. Warum wird dies nicht auch in Österreich verstärkt eingesetzt: Kultur und Tourismus, Wein und Kulinarik, Geschichte und Innovationskraft in Verbindung mit den Bildern der Staatsoper, Spanischer Hofreitschule, Feste Salzburg, Goldenem Dachl.
Leadership Institute: Die Serviceangebote der Handelskammer Schweiz-Österreich-Liechtenstein sind sehr umfassend. Beinhalten Ihre Services im weiteren Sinne auch als Coaching von Führungskräften verstehen und welches Ziel verfolgen Sie damit?
Urs Weber: Wenn „Coaching“, dann wirklich im weiteren Sinne: indem wir unsere Mitglieder und Kontakte auf die vorhin erwähnten kulturellen Eigenheiten hinweisen. Das verhindert vermeidbare „Bremser“ bei eigentlich konvergenten Zielen. Wir bieten aber auch Dienstleistungen an, mit denen wir durch unsere „Dolmetsch-Kompetenz“ den Einstieg in weitere Gespräche erleichtern: Im Rahmen des „Match makings“ weisen wir schon auf Schwerpunkte oder Vorbehalte hin, die Blocker sein könnten, geben durchaus auch im Sinne höherer Erfolgsaussichten Tipps. Oder wir empfehlen durch ein „Testimonialmailing“ eine Dienstleistung, ein Unternehmen mit Worten / Begriffen, die aus unserer Sicht Zielpartner triggern.
Leadership Institute: Welchen Herausforderungen sehen Sie sich aktuell gegenüber und wie bewältigen Sie diese. Und welche künftigen internationalen Trends zeichnen sich in Ihrem Aufgaben ab?
Urs Weber: Ich sehe generell die Zunahme vom Wunsch nach Verlässlichkeit, Vertrauen: zu viele „Shootingstars“ sind sehr rasch auch wieder abgestürzt. Und jeder Mensch weiß / fühlt, dass sich Vertrauen eben nicht kaufen- sondern nur langfristig erarbeiten lässt. Das unterstützt auch uns: die Handelskammer Schweiz – Österreich – Liechtenstein wurde vor 101 Jahren gegründet – ich bin aber dennoch erst der fünfte Geschäftsführer (bzw. „Generalsekretär“, wie’s in Österreich so schön heißt… )
Leadership Institute: Wer kontaktiert wann und warum die HKSÖL?
Urs Weber: Oft sind es konkrete Anlassfälle – Fragen, aktuelle Herausforderungen, etc.. Aber dann natürlich auch, wenn strategisch Märkte gesucht bzw. neu evaluiert werden. Gerade aktuell natürlich auch durch die Lieferkettenprobleme: Stichwort Nearshoring. Und dann eben auch für konkrete Ansprechpersonen und Verbindung zu diesen Kontakten: häufig ist es so, dass wir wissen, wer der richtige Ansprechpartner ist, sind immer wieder auch bereits im Gespräch mit dieser Person. Oder aber wir haben Kontakt mit einem Mitglied oder Direktionsrat unserer Handelskammer, welcher dies anbieten kann.
Leadership Institute: Danke für das Gespräch!
Zur Person:
Der gebürtige Schweizer Urs Weber verfügt über jahrzehntelange Erfahrung in leitenden Vertriebs- und Marketingpositionen in der Hotel und Tourismusindustrie (z. B. Sheraton Zürich, Hilton Wien und Genf, Arlberg Hospiz St. Christoph, Hyatt Regency Köln).
2008 übernahm er die Funktion des Generalsekretärs der Handelskammer Schweiz-Österreich- Liechtenstein (HKSÖL) in Wien. Zu seinen Aufgaben zählen Reorganisation, Neupositionierung und Leitung der seit 1921 in Wien existierenden Handelskammer sowie der Auf- und Ausbau der HKSÖL als Drehscheibe für den CEE-Raum.
Urs Weber ist Vater zweier erwachsener Kinder und lebt mit seiner Frau Usha in Niederösterreich. Er genießt gutes Essen, Literatur und interessante wie anspruchsvolle Gespräche.